Freitag, 20. November 2020

Sittenwidrige Vereinbarung


Az.: 14 Sa 1249/14 - Eine sittenwidrige Vergütungsabrede habe ein Arbeitgeber mit seinem Steuerfachgehilfen geschlossen, urteilte das Landesarbeitsgericht Hamm, nachdem der Steuerfachgehilfe bei dem Arbeitgeber ausgeschieden und dann eine Vergütungszahlung aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung verlangte. Diese besagte, dass der Steuerfachgehilfe neben seinem monatlichen Festgehalt zudem 30 Prozent der Rechnungsbeträge erhalten sollte, die seine Mandanten an den Arbeitgeber gezahlt haben. 

Das Landesarbeitsgericht Hamm erkannte die Vereinbarung insoweit für rechtsunwirksam, als dass die Zahlung dieses leistungsabhängigen Lohns nicht von der Zahlungsmoral einzelner Mandanten abhängen dürfte. 

Dies sei sittenwidrig. Im Übrigen behalte die Abrede allerdings ihre Wirksamkeit. Glück für den ehemaligen Arbeitnehmer. Bis auf einen kleinen Betrag konnte er den noch ausstehenden Betrag für sich gewinnen.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Freitag, 6. November 2020

Männliche Piloten müssen keine Mütze tragen

Az.: 1 AZR 1083/12 - Piloten sind ein streitlustiges Völkchen. Bis zum Bundesarbeitsgericht geschafft hatte es die Frage, ob männliche Piloten im öffentlich zugänglichen Flughafenbereich eine „Cockpitmütze“ tragen müssen. Das sieht die Betriebsvereinbarung Dienstkleidung der Lufthansa nämlich vor. Weibliche Pilotinnen haben diese Pflicht nicht. Ein Pilot wollte das nicht länger akzeptieren und marschierte durch die Instanzen. 

Vor dem BAG bekam er schließlich endgültig Recht. Die Lufthansa argumentierte mit dem klassischen Pilotenbild und der abweichenden „Frisurgestaltung“ der weiblichen Pilotinnen. Das ließen die Richter nicht gelten und beriefen sich dabei auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Cockpitmütze solle die Piloten in der Öffentlichkeit als herausgehobene Repräsentanten der Lufthansa kenntlich machen, es sei aber kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum Männer eine Mütze tragen müssen, Frauen aber nicht. Die Dienstvereinbarung ist daher an dieser Stelle unwirksam. 

Die Richter brauchten sich durch diese clevere Argumentation also nicht einmal mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die männlichen Piloten durch die Mützenpflicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden.


Martin Müller 
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Freitag, 30. Oktober 2020

Drum prüfe, wer sich ewig trenne - Hohe Hürden für krankheitsbedingte Kündigung


Az.: 2 AZR 6/18 - Eine wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen ausgesprochene Kündigung eines Arbeitnehmers ist unwirksam, wenn sie nicht das letzte Mittel darstellt, sondern unverhältnismäßig ist. Nachdem bereits das zuständige Arbeitsgericht, als auch das Hessische Landesarbeitsgericht dies so bewertet hatten, entschied ebenso das Bundesarbeitsgericht in einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer ohne die vorherige Durchführung eines betrieblichen Widereingliederungsmanagements durch den Arbeitgeber wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen gekündigt worden war. 

Das Bundesarbeitsgericht war der Auffassung, dass das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement hier mildere Mittel hätte aufzeigen können. Auch wurden vom Arbeitgeber eine Nutzlosigkeit der Durchführung eines solchen Verfahrens und die fehlende Vermeidbarkeit künftiger Fehlzeiten nicht ausreichend dargetan. 

Folge: Die Kündigung ist unwirksam


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Freitag, 9. Oktober 2020

Darf man wegen privaten Surfens gekündigt werden?


Az.: 4 Sa 329/19 - Das Landesarbeitsgericht Köln hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer wegen privater Nutzung des Internets und des E-Mailsystems fristlos gekündigt werden darf. Und erteilte darauf eine klare Antwort. 

Was war geschehen? 

Der Arbeitnehmer bekam zur ausschließlich dienstlichen Nutzung einen Laptop von seinem Arbeitgeber gestellt. Er erklärte sich mittels Unterschrift einverstanden, dass er die ihm überlassenen Arbeitsmittel ausschließlich zu geschäftlichen Vorgängen nutzen würde. Der Arbeitgeber fand schließlich nach einigen Monaten heraus, dass der Arbeitnehmer bereits über mehrere Monate seinen Laptop zur privaten Internetnutzung sowie das dienstliche E-Mailsystem zum Versenden privater Nachrichten genutzt hatte und kündigte kurzerhand außerordentlich fristlos. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung und ersuchte damit das Gericht um rechtliche Überprüfung der Kündigung.

Das LAG Köln hielt die außerordentliche Kündigung für wirksam, es sei ein Fall des exzessiven privaten Surfens und privaten E-Mail-Verkehrs während der Arbeitszeit gegeben. Nach Auffassung des Gerichts lag demnach ein wichtiger Kündigungsgrund vor. Dieser sei sowohl in der äußerst umfangreichen Nutzung des Internets zu sehen wie auch in der Tatsache, dass der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit agierte, es handele es sich somit auch um Arbeitszeitbetrug. 

Zukünftig wird sich der Arbeitnehmer wohl genau überlegen, ob er während seiner Arbeitszeit noch privat im Internet surft oder E-Mails schreibt.


Nadja Kötter
Fachanwältin für Arbeitsrecht 

Freitag, 2. Oktober 2020

Man muss nicht alles teilen


Az.: 10 Sa 483/10 - Knapp 500 Euro Trinkgeld verdiente ein Kellner monatlich zu seinem geringen Festgehalt dazu. Dieses sollte nun aber auf Weisung des Arbeitgebers gesammelt und unter allen Mitarbeitern aufteilt werden. Entgegen der Anweisung kassierte der Kellner jedoch weiterhin sein Trinkgeld persönlich ab und teilte es nicht. 

Folge: zwei Abmahnungen, dann zwei fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigungen. Allesamt unwirksam urteilte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Trinkgeld sei kein Arbeitsentgelt, weshalb der Arbeitgeber über die Verwendung auch nicht einseitig verfügen könne. Wer wie viel Trinkgeld erhält, entscheide letztlich der Kunde und dieser habe das Trinkgeld schließlich dem Kellner gegeben. 


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Freitag, 18. September 2020

Ein teures Nickerchen ohne Folgen…


LAG Hessen 9 Sa 1315/12 - Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte mal wieder einen kuriosen Fall zu entscheiden. In diesem übersah es tatsächliche eine Bankangestellte, die zur Überprüfung der Zahlungsbelege angestellt war, dass anstelle eines Betrages in Höhe von 62,40 EUR ein Betrag von 222.222.222,22 EUR angegeben wurde. Zuvor war ein weiterer Bankangestellter während eines Sekundenschlafes ausgerechnet auf die Taste „2“ geraten und hatte diese wohl länger gedrückt gehalten. Weder ihm noch der kontrollierenden Bankangestellten war der Fehler aufgefallen. Wenigstens die Bank hatte Glück im Unglück, denn mangels Deckung des Kontos konnte der Auftrag nicht ausgeführt werden.
 
Gekündigt hatte die Bank die kontrollierende Mitarbeiterin aufgrund des Vorfalls dennoch und zwar außerordentlich fristlos. Die Bankangestellte wehrte sich gegen die Kündigung und war der Meinung, zwar einen Fehler gemacht zu haben, der Ausspruch einer Abmahnung dafür jedoch genügt hätte. So auch das Arbeitsgericht Frankfurt am Main. 

Auch das Landesarbeitsgericht Hessen bewertete die Angelegenheit in ähnlicher Weise. Zwar habe die Klägerin bei der Kontrolle der Überweisung einen schweren Arbeitsfehler begangen, ihre Pflichtverletzung beruhe jedoch auf einem steuerbaren Verhalten, deshalb sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr „Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden könne“. Diese Möglichkeit hätte der Arbeitgeber vorrangig vor einer Kündigung nutzen müssen. 


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht 

Freitag, 4. September 2020

Tödlicher Speerwurf kein Arbeitsunfall


Az.: S 1 U 163/13 - Ein lizensierter Kampfrichter für Wettkämpfe der Leichtathletik arbeitete auf einem Leichtathletiksportfest als es zu einem tödlichen Unfall kam. Der Speerwurf eines Athleten wurde freigegeben und der Kampfrichter wurde von dem Speer getroffen. Dieser verletzte ihn an der Halsschlagader schwer und er verstarb am darauffolgenden Tag an den Verletzungen. 

Das Sozialgericht Düsseldorf befasste sich nunmehr mit der Klage der Witwe des Verstorbenen auf Leistung einer Zahlung der gesetzlichen Unfallversicherung. Leider hatte diese mit ihrem Begehren keinen Erfolg. 

Das Gericht urteilte, dass schon kein Beschäftigungsverhältnis des Kampfrichters bestanden habe, auch sei der Kampfrichter einem Beschäftigten nicht gleichzustellen. Seine Tätigkeit war rein ehrenamtlich gewesen. Eine Leistung von der gesetzlichen Unfallversicherung konnte die Witwe daher nicht erwarten.


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Freitag, 28. August 2020

Alkoholiker bekommt trotz Rückfall Entgeltfortzahlung



Az.: 10 AZR 99/14 - Wie es mit einem Alkoholiker aussieht, der immer wieder rückfällig wird und deshalb nicht arbeiten kann, beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung und rückte zugunsten des Arbeitnehmers von seinen alten Leitlinien ab. Ein Mitarbeiter war mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) bei völliger körperlicher und geistiger Bewegungslosigkeit in ein Krankenhaus eingeliefert worden, wo er intensivmedizinisch behandelt wurde. Es schlossen sich eine stationärer Behandlung und weitere Krankenhausaufenthalte über zehn Monate an.

Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung mit dem Argument, dass die Erkrankung vom Mitarbeiter selbstverschuldet sei. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, sei aber inzwischen allgemein anerkannt, dass Alkoholismus eine medizinische Krankheit sei. Dies hat zur Folge, dass eben nicht, wie vom Arbeitgeber vorgetragen, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Selbstverschulden ausgeschlossen wird.

Aus diesem Grund entschieden die Richter des Bundesarbeitsgerichts anders als die Vorinstanzen und verurteilten das Unternehmen zur Leistung der Entgeltfortzahlung.


Nadja Kötter
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Donnerstag, 20. August 2020

5.000 Euro Schadensersatz bei Verstoß gegen Datenschutz-Grundverordnung

Az.: 9 C 6557/18 - Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat in einem Fall von März diesen Jahres (Urteil vom 05.03.2020) entschieden, dass 5.000 € Schadensersatz für die Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ausreichend sein.

Wie war es dazu gekommen?

Ein ehemaliger Arbeitnehmer verlangte von seiner Arbeitgeberin Informationen, die diese erst sechs Monate nach Zugang des Auskunftsbegehrens unvollständig zur Verfügung stellte. Das Gesetz sieht hierfür einen Handlungszeitraum von einem Monat vor. Daraufhin machte der Arbeitnehmer gerichtlich Schadensersatz geltend. Er verlangte im Rahmen dessen einen Betrag von ca. 144.000 €, dies entsprach in etwa einem Bruttojahresgehalt.

Das Arbeitsgericht sah im vorliegenden Fall einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 5.000 € für ausreichend an. Das Gericht stellte klar, dass dem Kläger jedenfalls ein immaterieller Schaden entstanden sei, weil die Arbeitgeberin dem Auskunftsbegehren zu spät und nicht vollständig nachgekommen sei.

Das Gesetz gibt bei der Bemessung des Schadensersatzes keine Mindest- oder Höchstgrenze zur Orientierung vor, folglich stellt sich vor Arbeitgeber regelmäßig die Frage, wie hoch ein solcher Schadensersatz ausfallen könnte. Im vorliegenden Fall dürfte diese Frage beantwortet sein.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht



Freitag, 14. August 2020

Versuchter Prozessbetrug kann Kündigungsgrund sein


Az.: 6 Sa 297/19 - Wohl nicht zum ersten Mal hatte das Landesarbeitsgericht Nürnberg in einem aktuellen Fall darüber zu entscheiden, ob eine wohl bewusst falsch vorgetragene Tatsache eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen könne. Dies hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 22.01.2020 nunmehr positiv beschieden.

Im konkreten Fall ging es um einen Kläger, der bei der Beklagten für diverse Hausmeistertätigkeiten wie auch Gartenarbeiten angestellt war. Im Vorprozess hatte der Kläger die Feststellung begehrt, nicht zur Reinigung von Toiletten verpflichtet zu sein. Zur Untermauerung seines Vortrages hatte der Kläger vortragen lassen, dass er in der Vergangenheit über die Hälfte für die Toilettenreinigung eingesetzt worden sei. Er scheute sich nicht, diese Tatsache mehrmals vortragen zu lassen. Dies erwies sich im Weiteren dann als unrichtig. Auch die Beklagte bestritte die Richtigkeit dieser Tatsache und erklärte im Anschluss die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Zu Recht wie sowohl die erste Instanz wie auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg urteilten.

Dort heißt es „der Arbeitnehmer verletzt massiv eine nebenvertragliche Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis, (…), wenn er im Rechtsstreit gegenüber seinem Arbeitgeber bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, durch wahrheitsgemäße Angaben ein Anspruch nicht durchsetzen zu können.“

Zukünftig dürfte sich der Arbeitnehmer wohl etwas ausführlicher darüber Gedanken machen, was er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gegenüber seinem Arbeitgeber behauptet und was nicht.  


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Freitag, 7. August 2020

Erneute Auszeichnung unserer Kanzlei!



Über die nach dem Jahr 2019 nun erneut erfolgte Auszeichnung unserer Kanzlei im neuen FOCUS Spezial „Ihr Recht“ im Arbeitsrecht 

zu

Deutschlands Top Anwälten 2020


freut sich das gesamte Kanzleiteam wieder sehr.

Mit unserer langjährigen Expertise stehen wir unseren Mandanten auch weiterhin vertrauensvoll mit Rat und Tat zur Seite und sehen einer erneuten Auszeichnung unserer Kanzlei für die Zukunft zuversichtlich entgegen.  

 

 Ihr Team der Arbeitsrechtskanzlei Groll und Partner


Freitag, 10. Juli 2020

Kündigungsschutz für Schwangere bereits ab Abschluss des Arbeitsvertrages


Az.: 2 AZR 498/19 - Erst kürzlich hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage zu beschäftigen, ab wann für schwangere Arbeitnehmerinnen genau Kündigungsschutz besteht. Im folgenden Fall schlossen ein Arbeitgeber und die Klägerin im Dezember 2017 einen Arbeitsvertrag ab. Danach sollte das Arbeitsverhältnis am 1.2.2018 beginnen. Am 18.1.2018 informierte die Klägerin den Arbeitgeber über die festgestellte Schwangerschaft und ein vollständiges Beschäftigungsverbot. Der Arbeitgeber beschloss die Klägerin schnellstmöglich loszuwerden und kündigte ihr mit Schreiben vom 30.1.2018 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 14.2.2018. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.

Das Bundesarbeitsgericht setzte sich eingehend mit der Frage auseinander, ab wann denn nun genau der Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen bestehen solle und kam zu dem Ergebnis, dass dieser auch schon vor Tätigkeitsbeginn greife. Im Klartext: Obwohl die schwangere Klägerin noch gar nicht tatsächlich ihre Tätigkeit bei dem Arbeitgeber aufgenommen hatte, wurde sie trotzdem unter größtmöglichen Schutz gestellt und hätte nicht gekündigt werden dürfen, so das Bundesarbeitsgericht. 


Nadja Kötter
Fachanwältin für Arbeitsrecht


Freitag, 19. Juni 2020

Betriebsbedingte Kündigung auch für den Besten


Az.: 4 Sa 569/12 - In unserem nächsten Fall geht es um einen Mitarbeiter, der bereits einen Job hatte, dann aber ein attraktiveres Angebot einer anderen Firma bekam. Als er kündigen wollte, bekniete ihn der Geschäftsführer zu bleiben. Schließlich sei er sein „bester“ und „vertrauensvollster“ Mitarbeiter. Er könne auf ihn nicht verzichten. Am Ende bot ihm der Chef spontan eine Gehaltserhöhung um 500 Euro an, wenn er bleibt. Der Mann blieb tatsächlich und trat den anderen Job nicht an. 

Dummerweise ging es der Firma danach nicht mehr so gut – ein halbes Jahr später erhielt der Mitarbeiter eine betriebsbedingte Kündigung – und das auch noch in einem Kleinbetrieb ohne Kündigungsschutz. Er klagte mit der Begründung, der Arbeitgeber habe sich widersprüchlich verhalten. 

Das sah das Landesarbeitsgericht Köln anders und wies die Klage ab: Die Firma habe sich nicht treuwidrig verhalten, der Mann hätte auf eigenes Risiko gehandelt. Er hätte sich nicht nur ein höheres Gehalt zusichern lassen müssen, sondern auch, dass er für eine gewisse Zeit nicht gekündigt werden darf. Weil er das nicht gemacht hat, sitzt er jetzt auf der Straße.


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Montag, 15. Juni 2020

Selbstbetroffenheit des einzigen Betriebsratsmitglieds


Az.: 2 AZR 401/17 - Im nächsten Fall stand der Arbeitgeber vor einem echten Problem. In seinem Betrieb gab es lediglich einen 1-köpfigen Betriebsrat, der auch keinen Stellvertreter hatte. Dieser Mitarbeiter sollte die Kündigung wegen einer verbotenen Konkurrenztätigkeit erhalten. Bei einer Kündigung eines Betriebsrats muss aber grundsätzlich das Betriebsratsgremium zustimmen, so will es das Gesetz.

Der Arbeitgeber meinte jedoch, dass dieses nicht ginge, zog direkt vor das Arbeitsgericht und beantragte direkt die Ersetzung der Zustimmung. Das Arbeitsgericht ersetzte die Zustimmung zur Kündigung auch tatsächlich. Der Arbeitgeber sprach umgehend die Kündigung aus, und der Arbeitnehmer klagte anschließend gegen diese. Er war der Auffassung, die Kündigung sei wegen der Nichtbeteiligung des Betriebsrats unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht sah die Sache anders (Urteil vom 25.04.2018): Soll das Arbeitsverhältnis des einzigen Betriebsratsmitglieds gekündigt werden und fehlt ein gewähltes Ersatzmitglied, kann der Arbeitgeber unmittelbar im Beschlussverfahren die Zustimmungsersetzung einholen.

Das betroffene einzige Betriebsratsmitglied kann wegen rechtlicher Verhinderung aufgrund seiner Selbstbetroffenheit nicht beteiligt werden. Schließlich musste der Arbeitnehmer doch gehen.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 5. Juni 2020

Mundschutz und Handschuhe? – Nein, das darfst du nicht!


Az.: 55 BVGa 2341/20 – Das Arbeitsgericht Berlin bekam jüngst einen Fall vorgelegt, in dem sich der Betriebsrat im Rahmen einer einstweiligen Verfügung gegen das Verbot des Arbeitgebers richtete, welcher seine Mitarbeitern das Tragen eines Mundschutzes sowie Hygienehandschuhen untersagte. 

Der Arbeitgeber betreibt auf dem Berliner Flughafen Duty-Free-Shops und war offensichtlich der Ansicht, das Tragen von Mundschutz und Handschuhen könne sich geschäftsschädigend auswirken. Insbesondere bei Ankunft von Flügen aus China habe keiner seiner Mitarbeiter sich in besagter Weise schützen dürfen. Der Betriebsrat hielt sein Mitbestimmungsrecht für verletzt und wandte sich zur Klärung der Frage an das Berliner Arbeitsgericht. 

Noch bevor sich das Gericht inhaltlich zu der Angelegenheit äußern konnte, lenkte der Arbeitgeber ein. Er teilte schriftlich mit, dass er nun seinen Mitarbeitern freistelle, einen Mundschutz und Handschuhe nach persönlicher Entscheidung während der Arbeitszeit tragen zu dürfen. Der Betriebsrat erklärte daraufhin das Verfahren für erledigt, war er doch auch so am Ziel angekommen. 


Nadja Kötter
Fachanwältin für Arbeitsrecht


Freitag, 29. Mai 2020

Homeoffice - Vertrauen ist gut, Privatdetektiv besser?


Rechtsanwalt Peter Groll klärt zum Einsatz eines Privatdetektives auf.

Seit nunmehr vielen Wochen befindet sich ein Großteil der Arbeitnehmerschaft im Homeoffice, einige Unternehmen haben bereits angekündigt, dies bis mindestens Ende des Jahres fortzuführen zu wollen. Für viele Arbeitgeber ist es das erste Mal, dass sie ihre Schäfchen zum Arbeiten nach Hause schicken. Doch wie sieht es aus, wenn der Arbeitgeber ernsthafte Zweifel daran hat, dass der Arbeitnehmer auch tatsächlich arbeitet. Wann ist Kontrolle besser als Vertrauen und wie weit darf der Arbeitgeber bei der Kontrolle gehen? 

So mancher Arbeitgeber kommt auf die Idee, einen Privatdetektiv auf den Arbeitnehmer anzusetzen. Damit ein Privatdetektiv überhaupt tätig werden darf, muss ein Arbeitgeber zumindest einen Anfangsverdacht haben, dass sein Mitarbeiter Zuhause nicht ausreichend arbeitet, so Peter Groll, Fachanwalt für Arbeitsrecht. 

„Ich halte nichts davon, einen Privatdetektiv allein aus dem Grund einzuschalten, weil man den Verdacht hat, dass jemand im Homeoffice nicht viel arbeitet. Mit dem Ergebnis der Arbeitnehmer hat 3 oder 4 Stunden am Tag nicht gearbeitet, kann man als Arbeitgeber nichts anfangen. Das reicht vielleicht für eine Abmahnung, das steht aber in keinem Verhältnis zu den entstehenden Kosten.“

Der Einsatz eines Privatdetektives könnte sich hingegen lohnen, sollte der Arbeitgeber beispielsweise den Verdacht auf Konkurrenztätigkeit hegt. Diese positive Erkenntnis wäre dann auch dazu geeignet, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Für den Fall, dass sich dieser Verdacht bestätigt, könnten dem Arbeitnehmer sogar die entstandenen Kosten in Rechnung gestellt werden.

Ausführlicher Artikel veröffentlicht unter 


Freitag, 8. Mai 2020

Nach Kündigung bitte Spuren beseitigen…

Az.: 19 SaGa 1480/11 - Noch in der Probezeit beendete die Sozietät die Zusammenarbeit mit der Anwältin. Allerdings wurde die zu diesem Zeitpunkt noch auf der Homepage der Anwälte geführt und war auf einem kanzleieigenen News-Blog vorgestellt worden. Beide Darstellungen enthielten sowohl ein Bild der Gekündigten, als auch eine kurze Darstellung ihrer Person.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weigerte sich die Kanzlei allerdings, den Eintrag im Blog zu löschen.

Die Anwältin klagte – und das Hessische Landesarbeitsgericht gab ihr Recht. Bei den Angaben handele es sich nicht um eine bloße Eintrittsmitteilung. Insbesondere durch den Verweis auf die langjährige Berufserfahrung käme dem Eintrag eine werbende Aussage zu. Dies sei jedoch ohne die Zustimmung der Klägerin eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts und damit unzulässig.


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht

www.kanzleigroll.de






Donnerstag, 30. April 2020

Keine Kündigung nach Druck von Kollegen


Az.: 2 Sa 331/11 - Dass Trennungswünsche nicht immer nur vom Arbeitgeber kommen, zeigt unser nächster Fall. Manchmal sind es auch die Kollegen, die keine weitere Zusammenarbeit mehr wünschen.

So erging es einem Vertriebsingenieur aus Schleswig-Holstein: Zwei Kollegen aus dem Vertrieb, die eng mit ihm zusammenarbeiteten, hatten gedroht, dass sie selbst kündigen, wenn der Mann weiter im Unternehmen bliebe. Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass für eine Kündigung, wohl auch weil die beiden Kollegen gute Umsätze erzielten.

Der geschmähte Vertriebler wehrte sich aber und bekam mit seiner Kündigungsschutzklage Recht. Den Richtern reichte der pauschale Hinweis auf die Drucksituation und allgemeine Gespräche nicht aus. Das Unternehmen hätte schon genau erklären müssen, welche Maßnahmen konkret ergriffen wurden, um den schwelenden Zwist in den Griff zu bekommen. Man hätte ihn schließlich auch in ein anderes Büro setzen können. Das half dem Mann im Ergebnis allerdings nichts.

Am Ende gab das Gericht einem Auflösungsantrag des Unternehmens wegen zerstörten Vertrauens statt: Der Gekündigte hatte bei der Agentur für Arbeit behauptet, sein Arbeitgeber würde sich durch Kurzarbeit Gelder erschleichen und damit für eine Strafanzeige gesorgt.


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Freitag, 24. April 2020

Job weg nach Stalking im Büro


Az.: 2 AZR 258/11 - Nicht nur sexuelle Belästigung kann zur Kündigung führen – Stalking ebenso. Dies zeigt unser nächster Fall.

Dies musste ein Verwaltungsangestellter lernen, der bereits im Jahr 2007 eine Beschwerde wegen Belästigung einer Kollegin kassiert hatte. Sein Arbeitgeber verbot ihm daraufhin jegliche Kontaktaufnahme mit der Frau. Der Sinn dieser Warnung ging an dem Mann aber offenbar vorbei: Im Jahr 2009 belästigte er schon wieder eine Kollegin, eine andere zwar, dafür mit hunderten E-Mails, unerwünschten Anrufen, Bürobesuchen und zunehmender Einmischung in deren Privatleben.

Folge: fristlose Kündigung, die allerdings vom Hessischen Landesarbeitsgericht für unwirksam erklärt wurde – aber nur, weil es vorher keine Abmahnung gab. Der Arbeitgeber marschierte zum Bundesarbeitsgericht und bekam dort Recht: Eine Abmahnung brauche es hier nicht, weil der Übeltäter durch die bisherigen Umstände mehr als gewarnt war. Eine zusätzliche Warnung in Form einer Abmahnung sei deshalb nicht notwendig gewesen.


Nadja Kötter
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 17. April 2020

Bei Konkurrenz: Kündigung


Az.: 16 Sa 593/12 - Das man seinem Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis keine unerlaubte Konkurrenz machen darf, sollte eigentlich klar sein. Trotzdem kommt es immer wieder vor und führt in der Regel zur fristlosen Kündigung.

So auch bei einem Monteur aus Wiesbaden: Er sollte für seinen Arbeitgeber bei einer Kundin die Abflussrohre mit einer Spezialkamera inspizieren. Einige Tage später kam er dann auf eigene Faust und eigene Rechnung wieder und verlegte bei der Kundin neue Rohre. Dafür verlangte er 900 Euro, die er sich bar und ohne Quittung bezahlen ließ. Die Sache flog erst vier Jahre später auf, als sich die Kundin bei der Firma meldete um Mängel beheben zu lassen. Der Mann erhielt umgehend die fristlose Kündigung.

Er klagte bis zum Hessischen Landesarbeitsgericht und kassierte dort eine Niederlage. Die Richter stellten klar, dass ein Arbeitnehmer im Marktbereich seines Arbeitgebers keine Dienste und Leistungen anbieten darf. Durch die Konkurrenz hatte der Mann seine Pflichten massiv verletzt, die fristlose Kündigung war wirksam.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Mittwoch, 15. April 2020

Kündigung als Maßregelung unwirksam


19 Ca 215/10 - Ein Verpacker fragte mehrfach nach neuen Arbeitsschuhen. Der Arbeitgeber gab die aber nur alle zwei Jahre aus und reagierte bei jeder erneuten Frage dünnhäutig: Der Arbeitnehmer habe seine Schuhe privat selbst beschädigt, außerdem hetze er Kollegen auf.

Folge: Er solle das Büro verlassen, der Inhaber wolle ihn nicht mehr sehen. Zwei Tage später kam die Kündigung.

Zu Unrecht – wie das Arbeitsgericht Hamburg befand. Zwar beschäftige der Arbeitgeber nicht mehr als zehn Mitarbeiter – einen Kündigungsgrund bräuchte er daher eigentlich nicht. Ausnahmsweise wäre die Kündigung aber auch im Kleinbetrieb wegen einer unzulässigen Maßregelung unwirksam. Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis kündigt, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise ein Recht ausübt. Verstößt eine Kündigung gegen das Maßregelungsverbot, ist sie unwirksam. Das Arbeitsgericht sah diese enge Verknüpfung wegen der zulässigen Frage nach neuen Arbeitsschuhen und der kurz darauf ausgesprochenen Kündigung. Ob es anschließend neue Schuhe gab, ist nicht bekannt.


Martin Müller
Fachwanwalt für Arbeitsrecht

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Freitag, 3. April 2020

Keine Kündigung nach hohem Schaden


Az.: 5 Sa 107/11 - Der Assistent der Geschäftsleitung hatte Solarmodule im Wert von 1,6 Millionen Euro bestellt. Wohl nicht ganz im Sinne seines Chefs, denn der stornierte noch am selben Tag die Bestellung, was allerdings zu einer Stornogebühr in Höhe von zehn Prozent der Auftragssumme führte. Kein Peanuts also.

Da kündigte der Arbeitgeber seinem Angestellten fristlos, Begründung: dieser habe seine Kompetenzen deutlich mit der Bestellung des hohen Warenwertes überschritten.

Das akzeptierte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz jedoch nicht und hob die Kündigung auf. Ein eigenmächtiges Überschreiten von Kompetenzen könne zwar arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, doch setze dies eine konkrete und wirksame Vollmachtsbeschränkung voraus. Und selbst dann sei immer auf den Einzelfall abzustellen und eine Abmahnung vor der Kündigung erforderlich. Einzige Ausnahme: Dem Arbeitnehmer sei ein extremer Ausnahmefall anzulasten, diesen sah das Arbeitsgericht im vorliegenden Fall wohl nicht.


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Freitag, 27. März 2020

Anspruch auf Gehaltsverhandlung


6 Sa 40/12 - Das Thema der Gehaltsverhandlungen ist bei vielen Arbeitnehmern ein regelmäßiger Besprechungspunkt mit dem Arbeitgeber. Doch kann man auch einen Anspruch auf dieses Gespräch haben?

Der Arbeitsvertrag eines Chefarztes beinhaltete eine Klausel, wonach seine Vergütung regelmäßig nach Ablauf von drei Jahren zu überprüfen und „ggfs.“ zu erhöhen sei. Da in der Klausel auch noch die Gehaltsentwicklung der tarifgebundenen Ärzte berücksichtigt war, wurde die Klinik zu einer Gehaltserhöhung verurteilt.

Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg führe die Klausel zu einem ergebnisoffenen Verhandlungsanspruch. Darüber hinaus begründe sie sogar einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Leistungsbestimmung. Denn die Verwendung des Adverbs „gegebenenfalls“ sei nach Treu und Glauben als Einräumen einer ohnehin bestehenden Option zur Gehaltsüberprüfung zu verstehen. Oder wie Juristen es ausdrücken: Das billige Ermessen des Arbeitgebers war durch die Formulierung „ggfs.“ deutlich eingeschränkt.


Nadja Kötter
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 20. März 2020

Auch Mini-Diebstähle schützen nicht vor Kündigung



Az.: 6 Sa 1845/11 - Obwohl der Filialleiter seit mehr als 20 Jahren für das Unternehmen tätig war, wurde er von seinem Arbeitgeber – zu Recht – außerordentlich gekündigt, wie das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg feststellte. 

Zum Verhängnis wurde ihm ausgerechnet ein nicht bezahlter Beutel Streusand. Zwei Tage später fiel er abermals auf, weil er Waren aus der Einzelhandelsniederlassung im Wert von 12,02 Euro mitgenommen, aber nicht bezahlt hatte. Da reichte dann auch der dringende Verdacht des Arbeitgebers, dass der Filialleiter erneut lange Finger machen würde, um den Mann zu feuern. 

Mit seinem Verhalten habe der Filialleiter das während seiner langjährigen Tätigkeit aufgebaute Vertrauen in seine Rechtschaffenheit zerstört. Die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten. Auch dass es sich bei den geklauten Gegenständen um Sachen von geringem Wert gehandelt habe, half dem Arbeitnehmer nicht.


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht 

Freitag, 6. März 2020

Mutterschutz auch bei Befruchtung außerhalb des Körpers


Az.: 2 AZR 237/14 - Ein Arbeitgeber kündigte seiner Mitarbeiterin. Doch diese hatte ein paar Tage zuvor einen Embryonentransfer. Eine Woche nach der erfolgten Kündigung wurde bei der Mitarbeiterin eine Schwangerschaft festgestellt. Die Mitarbeiterin legte Kündigungsschutzklage ein.

Das Bundesarbeitsgericht hatte hierzu eine klare Auffassung: Die Kündigung ist unwirksam. Dies bereits deshalb, weil der Mitarbeiterin zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits der besondere Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes zu Gute kam. Denn in dem besonderen Fall nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers greife das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle.

Pech für den Arbeitgeber, eine behördliche Zustimmung hatte er im Vorfeld zu der Kündigung nicht beantragt.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 28. Februar 2020

Corona-Virus und das Arbeitsrecht

Aus gegeben Anlass beantworten wir aus arbeitsrechtlicher Sicht die wichtigsten Fragen rund um das Corona-Virus, die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zurzeit stellen.



Welche (Schutz-)  Pflichten haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Wenn Arbeitgeber in Handelsbeziehungen zu chinesischen Unternehmen oder anderen vom Coronavirus betroffenen Gebieten stehen bzw. selbst Arbeitnehmer in oder aus China einsetzen, müssen sie dabei im besonderen Maße  die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht, die den Arbeitgeber insbesondere zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeiter verpflichtet, beachten. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der eigenen Angestellten zu gewährleisten. So sollten zum Beispiel Hygiene- und Verhaltensregeln aufgestellt werden (Bereitstellung von Desinfektionsmitteln auf Toiletten, in Küchen und Meetingräumen u.ä.). Er ist auch verpflichtet, vom Arbeitnehmer eigenständig ergriffene Maßnahmen zu dulden. Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nach und setzt den Mitarbeiter dadurch bewusst einem Risiko aus, ist darin eine Pflichtverletzung zu sehen.

Um eine Pandemie zu verhindern können Arbeitgeber den Betriebsablauf oder die Arbeitsorganisation derart ändern, dass ein erhöhter Kontakt zwischen den Arbeitnehmern vermieden wird.

Arbeitnehmer sind verpflichtet, dem Arbeitgeber und den Kollegen das Auftreten von eigenen Krankheitssymptomen und Symptome bei Kollegen mitzuteilen.


Kann der Arbeitgeber Zwangsurlaub anordnen?

Grundsätzlich gilt, dass für die zeitliche Festlegung des Urlaubs die Wünsche des Arbeitnehmers laut § 7 BUrlG zu berücksichtigen sind. Bei der Urlaubsplanung muss er jedoch sowohl dringende betriebliche Belange als auch die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist daher infolge dringender betrieblicher Belange zur Anordnung von Zwangsurlaub berechtigt. Solche betriebliche Belange können sich auch auf Grund der aktuellen Situation ergeben, z.B. wegen Auftragsrückgang oder Lieferengpässen.


Wer ordnet die Quarantäne an? Muss ich dem folgen?

Das Gesundheitsamt entscheidet, über wen Quarantäne verhängt wird, also ob man im Krankenhaus isoliert wird oder zuhause bleiben muss. In diesem Fall müssen die Betroffenen dann Folge leisten und dürfen die Quarantäne nicht eigenständig verlassen. Denn grundsätzlich kann eine Anordnung des Gesundheitsamtes auch gerichtlich vollstreckt werden und im Übrigen droht durch eigenständiges Entfernen nicht nur die Gefahr der Ansteckung weiterer Menschen, sondern auch Strafen.


Erhalten Arbeitnehmer in der Quarantäne weiterhin ihr Gehalt?

Ist der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt und somit auch krankgeschrieben, gelten die allgemeinen Regeln der Entgeltfortzahlung nach dem EFZG. Die Arbeitnehmer bekommen danach die ersten sechs Wochen lang ihr Gehalt vom Arbeitgeber und danach Krankengeld. Wird eine Person hingegen nur vorsorglich unter Quarantäne gestellt, greift das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (§ 56 Abs. 1 IfSG), wonach dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zusteht. Das Nettogehalt kommt dann weiterhin vom Arbeitgeber. Dieser kann sich den Betrag aber später von der Behörde zurückholen, die die Quarantäne angeordnet hat.


Müssen Arbeitnehmer in der Quarantäne arbeiten?

Man muss unterscheiden: Ist der Arbeitnehmer während der Quarantäne nicht infiziert und hat er auch die nötigen Arbeitsmittel dabei (Laptop, Handy etc.), dann muss er auch arbeiten. Ist der Arbeitnehmer zwar nicht infiziert, er arbeitet aber beispielsweise an einer großen Maschine beim Arbeitgeber, dann kann er rein faktisch in Quarantäne natürlich nicht tätig werden. Dann kommt höchstens noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO in Betracht, wonach er dem Arbeitnehmer auch Arbeiten auferlegen könnte, die er innerhalb der Quarantäne erledigen kann. Ist der Arbeitnehmer hingegen krankgeschrieben, so muss er nicht arbeiten.


Wer kommt bei Selbstständigen für den Verdienstausfall auf?

Wenn Selbstständige oder Freiberufler unter Quarantäne gestellt werden, erhalten sie Verdienstausfall nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Die Entschädigung bemisst sich nach den letzten Jahreseinnahmen, die dem Finanzamt gemeldet wurden.


Dürfen Arbeitnehmer die Arbeit verweigern oder einfach zuhause bleiben?

Der Virus ist in Deutschland angekommen, sodass zwangläufig die Frage aufkommt, ob Arbeitnehmer weiterhin im Büro erscheinen müssen oder nicht lieber zuhause im Homeoffice arbeiten. Rechtlich gesehen gilt hier der Ort, der per Arbeitsvertrag festgelegt wurde. Wer diesem ohne Grund und lediglich aus bloßer Angst fernbleibt, riskiert eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung, da es sich um eine Arbeitsverweigerung handelt. Das Recht, eine Sonderregelung zu erlauben, besitzt ausschließlich der Arbeitgeber. Heißt konkret: Nur, wenn der Arbeitgeber das Homeoffice explizit erlaubt, dürfen Arbeitnehmer den Räumlichkeiten fernbleiben.

Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer vermutet, sich angesteckt zu haben. Wichtig ist aber, den Arbeitgeber über eine mögliche Ansteckung zu informieren. Der Arbeitgeber kann dann entscheiden, ob er den Arbeitnehmer freistellt.

Ein Weigerungsrecht würde wohl zumindest voraussetzen, dass das Unternehmen trotz konkreter Infektion innerhalb des Betriebes und trotz Aufforderungen etwa durch Behörden oder durch den Betriebsrat keine Schutzmaßnahmen ergreift, vor allem zur Meldung, zur Hygiene und zu vorübergehenden Home-Office-Regelungen.

Zudem gilt, dass der Arbeitnehmer das Wegerisiko trägt. Das bedeutet, dass er selbst dafür verantwortlich ist, pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen. Dies gilt auch grundsätzlich dann, wenn es zu Ausfällen des öffentlichen Nahverkehrs kommt. So kann der Arbeitnehmer auch verpflichtet sein, mit dem Taxi zur Arbeit zu fahren. Sollte es dem Arbeitnehmer letztlich nicht möglich sein, zur Arbeit zu kommen, so droht ihm eine Abmahnung, jedenfalls erhält er für diesen Tag kein Gehalt. 


Darf ein Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn Kitas oder Schulen geschlossen haben?

Grundsätzlich gilt das oben bereits Ausgeführte. Denn auch die Schließung von Kitas und Schulen ist in der privaten Sphäre des Arbeitnehmers zu verorten.

Grundsätzlich gilt: Ist das eigene Kind erkrankt, steht es Eltern zu, eine Zeit lang zu Hause zu bleiben und das Kind zu versorgen. Dieser Anspruch ist pro Kind und Elternteil auf jeweils zehn Arbeitstage - bei Alleinerziehenden auf 20 Arbeitstage - begrenzt. Der Arbeitgeber hat Anspruch auf einen Nachweis, der belegt, dass das Kind pflegebedürftig ist.

Ist das Kind gesund und bleiben Eltern zu Hause, weil Schule oder Kindergarten geschlossen sind, müssen sie ihren Arbeitgeber umgehend darüber informieren. Denn Eltern müssen im Streitfall belegen können, dass ihr Kind nicht allein zu Hause bleiben konnte und dass kein anderer die Betreuung übernehmen kann. Geschieht dies nicht, droht eine Abmahnung oder sogar die Kündigung.

Eltern, die aktuell von Kindergarten- und Schulschließungen betroffen sind, sollten daher sofort das Gespräch mit ihrem Arbeitgeber suchen. Oft finden sich so einvernehmliche Lösungen wie etwa die Arbeit aus dem Homeoffice oder unbezahlter Urlaub.

Bezüglich des Lohns gilt, dass derjenige, der nicht arbeitet, in der Regel auch keinen Lohn erhält. Ausnahmen könnten sich aus § 616 BGB ergeben. Darin ist geregelt, dass Mitarbeiter ihr Gehalt weiter beziehen, wenn sie nicht verhältnismäßig lange ausfallen und für ihr Fehlen selbst nichts können. Dafür kommt es darauf an, ob wirklich keine andere Betreuung des Kindes möglich war. Das bedeutet, dass wenn vorrangig Großeltern oder eine Haushaltshilfe die Betreuung der Kinder übernehmen könnte, kein Gehaltsanspruch besteht. 


Haben die Beschäftigten bei einer Infektion während der Arbeitszeit Ansprüche gegen den Arbeitgeber? Wenn ja, welche?

Das setzt ja zunächst eine zurechenbare Pflichtverletzung und ein Verschulden des Arbeitgebers für eine Infektion des Arbeitnehmers voraus. Das wird man bislang kaum annehmen können. Mit der ansteigenden Gefährdungslage wird man aber auch zunehmend die genannten Hinweise zu hygienischen und organisatorischen Vorsichtsmaßnahmen erwarten müssen, die jedenfalls bei einem gewissen "Ausgesetztsein" im Büro erforderlich sind.

Ein Extremfall wäre das vorsätzliche Verschweigen eines Risikos, beispielsweise wenn Hinweise auf eine konkrete Infektion vorliegen, oder wenn Reisen nach China jetzt gegen jede Notwendigkeit angewiesen werden. Aber ich glaube, dass man den einen oder anderen jetzt eher vor sich selbst und seinen angeblich so wichtigen vor-Ort-Terminen schützen muss, indem der Arbeitgeber diese Reisen generell verbietet.


Erhalten Arbeitnehmer weiterhin Geld, wenn der Betrieb wegen des Coronavirus nicht geöffnet ist? Können Arbeitgeber Kurzarbeitergeld beantragen?

Wenn Behörden wegen des Coronavirus Betriebe schließen lassen, müssen Arbeitgeber den Beschäftigten ihr Entgelt weiterzahlen.

In Deutschland trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko, wenn ein Unternehmen aufgrund behördlicher Anordnungen zum Schutz vor einer Pandemie vorübergehend geschlossen werden muss. Daraus folgt, dass die Arbeitnehmer ihren Entgeltanspruch behalten, auch wenn sie nicht arbeiten können. Die ausgefallenen Arbeitszeiten müssen auch grundsätzlich nicht nachgearbeitet werden.

Allerdings können Arbeitsverträge und Tarifverträge andere Regelungen beinhalten. Entsprechende Vereinbarungen müssten allerdings hinreichend deutlich und klar formuliert sein.

Für Arbeitgeber eröffnet sich unter Umständen jedoch die Möglichkeit, bei der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld zu beantragen. Denn wenn aus bestimmten Gründen die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend gekürzt wird, können Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld erhalten. Diese Leistung soll den Verdienstausfall teilweise ausgleichen. Ziel ist es, dass Beschäftigte nicht gekündigt werden, sondern im Betrieb bleiben können.

Ein auf Grund oder in Folge des Corona-Virus und/oder der damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen eingetretener Arbeitsausfall beruht im Regelfall auf einem unabwendbaren Ereignis oder auf wirtschaftlichen Gründen im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Ein Ausgleich des Arbeitsausfalls mit Hilfe des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes ist damit grundsätzlich möglich. Zu beachten ist allerdings, dass Betriebe und Unternehmen im Bedarfsfall bei ihrer zuständigen Agentur für Arbeit Kurzarbeit anzeigen.


Was ist bei einer Dienstreise nach China oder in andere Risikoregionen zu beachten?

Grundsätzlich gilt, dass eine Dienstreise nur dann angetreten werden muss, wenn eine arbeitsvertragliche Verpflichtung hierzu besteht. Ohne arbeitsvertragliche Regelung kann ein konkreter Auslandseinsatz nur auf Grund einer einvernehmlichen Regelung vereinbart werden.

Ist arbeitsvertragliche Pflicht gegeben, so richtet sich die Anordnung einer Dienstreise nach dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO. Danach darf der Arbeitgeber dieses nur nach billigem Ermessen ausüben. Nach Ansicht des BAG entspricht eine Weisung billigem Ermessen, wenn die wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit abgewogen worden sind. D.h., der Arbeitgeber muss eine Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und der betrieblichen Interessen vornehmen, wobei er insbesondere seine Fürsorgepflicht für die Arbeitnehmer beachten muss. Die Fürsorgepflicht drückt sich insbesondere dadurch aus, dass er zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeiter verpflichtet ist.

Eine Dienstreise kann nur dann verweigert werden, wenn eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung zu erwarten ist. Dann darf der Arbeitgeber auch keine Sanktionen, also Abmahnungen oder Kündigungen aussprechen. Denn eine solche Weisung entspräche dann nicht dem billigem Ermessen nach § 106 GewO.

Liegt eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Zielregion vor, dann kann der Arbeitnehmer in der Regel die Dienstreise verweigern. Jedoch müssen die konkreten Umstände des Einzelfalls bezogen auf eine Gesundheitsgefährdung durch die Dienstreise berücksichtigt werden, sodass dies nicht pauschal für jeden Fall gilt. Ist die Gefährdungslage noch unklar, kann der Arbeitnehmer auf Grund seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nicht ohne weiteres die Dienstreise verweigern. Der Arbeitgeber ist aber auch in diesen Fällen nicht gehindert, Vorsorgemaßnahmen zu treffen und mit den Arbeitnehmern eine Lösung zu finden.

Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen im Rahmen der Pflichten zum Gesundheitsschutz gehalten sind, von sich aus Reisen auf das Notwendige zu beschränken und mit den Gesundheitsbehörden und Krankenkassen bzw. dem Betriebsarzt abgestimmt konkrete Verhaltensanweisungen zu geben.


Können Arbeitnehmer verweigern, mit chinesischen Kollegen oder Kunden zusammenzutreffen?

Ohne konkrete Anhaltspunkte etwa für bestehende Infektionen oder Symptome besteht kein Recht, eine Zusammenarbeit mit Kollegen zu verweigern. Der Arbeitgeber sollte allerdings in Betracht ziehen, Zusammentreffen zu vermeiden und die Möglichkeiten der Kommunikation via Skype, E-Mail oder sonstige Videokonferenzen in Erwägung ziehen, um seine Fürsorge gegenüber den Beschäftigten zu bekunden und jedes Risiko auszuschließen.


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Freitag, 21. Februar 2020

Al Capone versteht keinen Spaß


Az.: 13 Sa 957/15 – Es ist wieder soweit… Die fünfte Jahreszeit hat begonnen und versetzt vielerorts die Mitarbeiter sowie Betriebe in einen Ausnahmezustand. So auch im vorliegenden Fall, mit dem sich anschließend das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit den Folgen beschäftigen durfte.

An Weiberfastnacht kommt ein Mitarbeiter verkleidet als „Al Capone“ zur betriebsinternen Faschingsfeier. Im Verlauf der Feier versuchten immer wieder seine Kollegen, dem Mitarbeiter die Krawatte abzuschneiden, weshalb der Mitarbeiter schließlich in eine Auseinandersetzung mit seinen Kollegen geriet und mit dem Fuß nach einem Kollegen trat. Anschließend nahm er sich eine 0,2 L Altbierglas und goss den Inhalt seinem Kollegen über den Kopf und schlug diesem das leere Glas in das Gesicht. Der angegriffene Kollege erlitt dabei starke Schnittverletzungen im Kopfbereich.

Der Arbeitgeber kündigte kurzerhand das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Auch das Landesarbeitsgericht sah die Kündigung als wirksam an. Das äußerst aggressive Verhalten des Klägers rechtfertige die außerordentliche Kündigung im vorliegenden Fall. Gerade weil sich der Kläger auf einer Betriebsfeier innerhalb betrieblicher Räume im Beisein seiner Kollegen befunden habe, sei der Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben.


Nadja Kötter
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 14. Februar 2020

Narrenspiel will Raum haben


Az.: L 3 U 47/13 - Das hessische Landessozialgericht hatte sich vor einiger Zeit mit einem kuriosen Sachverhalt zu beschäftigen.

Während einer Umschulungsmaßnahme versuchte eine Schülerin einen anderen Schüler mit einem Gummispritztier nass zu spritzen. Der angegriffene Schüler flüchtete und sprang kurzer Hand aus dem Fenster des Schulungsraums auf ein Wellblechdach, dieses stürzte ein und der Pechvogel verletzte sich an Fuß und Wirbelsäule.

Eine versicherte Tätigkeit sah das Landessozialgericht in dem Verhalten nicht und verneinte aus diesem Grund auch einen Arbeitsunfall. Solche Spielereien gehörten nicht zu betriebsdienlichen Tätigkeiten. Zudem sei der Schüler nicht aus dem Fenster gestürzt, sondern gesprungen. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit sei nicht gegeben.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 7. Februar 2020

Duzen oder Siezen… Was denn nun?


Az.: 14 Sa 1145/98 - Immer wieder führen Fragen zu Umgangsformen in Betrieben zu Verwirrrungen bis hin zu Streitigkeiten, die heftig ausdiskutiert und vorliegend auch ausprozessiert werden müssen.

Wen muss ich siezen? Wen darf ich duzen? Habe ich einen Anspruch darauf, gesiezt zu werden, während im Betrieb alle anderen Mitarbeiter geduzt werden. Letztere Frage stellte sich ein Arbeitnehmer und nicht nur sich, sondern auch dem Landesarbeitsgericht Hamm.

Vorausgegangen war der Klage die Idee eines schwedischen Unternehmens, dass sich nun alle Mitarbeiter – ganz dem schwedisches Vorbild hinterher – duzen sollten. Sogar der Betriebsrat trug das „verordnete Du“ mit und segnete die neue Firmenphilosophie ab. So weit, so gut. Nur ein Arbeitnehmer war mit der getroffenen Entscheidung zwei Jahre nach Einführung gar nicht mehr glücklich. Er wollte mit Hilfe des Arbeitsgerichts wieder zurück zum klassischen „Sie“ und dem damit verbundenen konventionellen, geschätzten Umgangsstil zurückholen.

Doch da machte auch in zweiter Instanz das Landesarbeitsgericht Hamm dem Arbeitnehmer einen Strich durch die Rechnung. Denn: Führt ein Unternehmen im Rahmen einer neuen Firmenphilosophie den dienstlichen Umgang „Du“ ein, so ist jeder Arbeitnehmer daran gebunden. Immerhin habe auch der Betriebsrat die Entscheidung gestützt und der klagende Arbeitnehmer auch widerspruchslos im Unternehmen fleißig mit geduzt, bevor er sich anschließend – nach zwei Jahren - wieder dagegen entschied.


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Freitag, 31. Januar 2020

Wer kündigt, bleibt daran gebunden


Az.: 2 AZR 418/10 - Der nächste Fall zeigt, dass rechtlich relevante Erklärungen eine Bindungswirkung mit sich bringen. Sich im Nachhinein davon wieder zu lösen, ist schwierig bis gar unmöglich.

Ein Gerüstbau-Unternehmen stellte einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens – und führte Gespräche mit den Arbeitnehmern, um denen mögliche Konsequenzen zu erklären, unter anderem auch die einer Kündigung. Als Ergebnis dieses Gesprächs unterschrieb ein Arbeitnehmer eine bereits vorgefertigte Eigenkündigung. Kaum unterschrieben, wollte er sich an seine Erklärung aber nicht mehr gebunden sehen und klagte. Jedoch ohne Erfolg.

Die Richter des Bundesarbeitsgerichts urteilten, der Kläger habe sich weder in einer seelischen Zwangslage befunden, noch wurde er in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt oder bedroht. Grundsätzlich sind Erklärungen verbindlich, erst recht die eigenen.


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Freitag, 3. Januar 2020

Zweite Ehe berechtigt kirchlichen Arbeitgeber zur Kündigung

Az.: 2 BvR 661/12 - Ein Chefarzt ist bei einem katholischen Krankenhaus mit kirchlichem Träger beschäftigt. Als er eingestellt wurde, war er kirchlich verheiratet. Nunmehr ist er geschieden und heiratete seine neue Lebenspartnerin standesamtlich. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber ihm das Arbeitsverhältnis.

Das urteilende Arbeitsgericht entschied: Zu unrecht.

Das katholische Krankenhaus wurde zur Weiterbeschäftigung des Arztes verurteilt. Auch das Bundesarbeitsgericht bestätigte dieses Urteil. Das Bundesverfassungsgericht entschied allerdings nunmehr, dass dieses Urteil gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der Kirche verstoße. Der Arzt lebe in kirchlich ungültiger Ehe. Das Bundesarbeitsgericht hatte hier nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eigenständig einen religiös vorgeprägten Sachverhalt bewertet, über dieses kirchliche Selbstverständnis dürfe sich aber nicht einfach hinweg gesetzt werden.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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