Donnerstag, 28. November 2019

Strafanzeige kann zur Kündigung führen


Az.: 6 Sa 304/11 - Wenn Arbeitnehmer Missstände im Unternehmen aufdecken und an die Öffentlichkeit gehen, nennt man das „Whistleblowing“.

Grundsätzlich sind derartige Äußerungen als freie Meinungsäußerung geschützt. Trotzdem sollte man sich so einen Schritt gut überlegen. Das zeigt die Entscheidung des LAG Köln, das die Kündigung eines Busfahrers für wirksam hielt:

Hintergrund war der Unfall eines alkoholisierten Jugendlichen, der während der Fahrt den Nothahn eines Busses betätigte, um den Bus zu verlassen – mit tödlichem Ende. Der Busfahrer marschierte zur Staatsanwaltschaft und behauptete, dass der Junge noch leben könnte, weil das Busunternehmen es unterlassen habe, eine automatische Bremsvorrichtung einzubauen. Das habe er von einem Kollegen gehört, der diese Äußerung dann allerdings bestritt. Gutachten kamen zum Ergebnis, dass es so eine Vorrichtung überhaupt nicht gibt. Der Mann kann sich jetzt eine neue Arbeit suchen, denn das Gericht hielt die Kündigung für rechtswirksam.

Die Richter warfen ihm vor, er hätte nicht ungeprüft solche Informationen weitertragen dürfen.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 15. November 2019

Auch ausländische Verträge zählen beim Kündigungsschutz


Az.: 2 AZR 12/10 - Der Kündigungsschutz in Deutschland gehört zu den stärksten der Welt.

Unternehmen gelingt es in nur wenigen Fällen eine „wasserdichte“ Kündigung auszusprechen, die nicht später vom Gericht wieder einkassiert wird. Was viele nicht wissen: Das Kündigungsschutzgesetz gilt nur in Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern und erst nach sechs Monaten. Vorher ist man schutzlos, der Arbeitgeber kann einfach kündigen.

Das hatte auch eine lettische Bank vor, die für ihre Münchner Zweigstelle einen Filialleiter eingestellt hatte. Doch schon bald waren die Chefs mit dem Mann nicht mehr zufrieden und kündigten ihm im sechsten Monat der Probezeit. Die Klage des Mannes hatte schließlich beim Bundesarbeitsgericht Erfolg. Die Bank hatte nämlich nicht berücksichtigt, dass er insgesamt schon neun Monate tätig war, allerdings die ersten drei Monate mit einem Arbeitsvertrag nach lettischem Recht. Das war den Richtern aber egal – es komme nur auf die tatsächliche Beschäftigung in Deutschland an. Die Bank hatte damit ihren Filialleiter wieder.


Nadja Kötter
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 8. November 2019

„Ossi“-Diskriminierung – Geht das?


Az.: 44 Ca 8580/18 - Bereits im Jahr 2010 hatte sich das Arbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 15.04.2010 – 17 Ca 8907/09) mit einem Fall zu beschäftigen, bei dem eine aus der ehemaligen DDR stammende Stellenbewerberin gegen ein Stuttgarter Unternehmen geklagt hatte, weil sie sich durch die Rücksendung ihres Lebenslaufs mit dem Vermerk „(-) OSSI“ diskriminiert gefühlt hatte.

Schon im damaligen Verfahren urteilte das Gericht, dass eine derartige Schlechterstellung bereits grundsätzlich keine gesetzlich verbotene Diskriminierung „wegen der ethnischen Herkunft“ darstelle, Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) würden somit ausscheiden. 

Auch in einem aktuellen Fall vor dem Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 15.08.2019) hatte ein stellvertretender Ressortleiter eines Zeitungsverlages seinen Arbeitgeber auf Entschädigung, Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt, weil er sich von zwei vorgesetzten Mitarbeitern wegen seiner ostdeutschen Herkunft diskriminiert fühlte.

Auch in diesem Fall hat das Arbeitsgericht die Klage mit derselben Begründung wie das Arbeitsgericht Stuttgart im Jahr 2010 abgewiesen. Das AGG sei nicht einschlägig, denn Menschen ostdeutscher Herkunft seien nicht Mitglied einer ethnischen Gruppe oder Träger einer einheitlichen Weltanschauung.


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Freitag, 1. November 2019

Wie viele Silbentrennungen sind zu viel?


Az.: 3 Sa 21/14 - Mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer ein Zeugnis ohne Silbentrennungen am Ende der Zeilen verlangen kann, hatte sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zu beschäftigen. Eine Schulsekretärin hatte nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gegen ihren Arbeitgeber geklagt, da 14 von den 59 Zeilen im Zeugnis silbengetrennte Wörter enthielten. In dem Zeugnis wurde ihr bescheinigt, dass sie "jederzeit sicher, fehlerfrei und mit entsprechendem Schriftbild" Texte erledigt habe. Durch die silbengetrennten Wörter lag nach Ansicht der Schulsekretärin ein Geheimcode vor, der einem neuen, potentiellen Arbeitgeber signalisieren sollte, dass der gute Schreibstil gerade eine Schwäche bei ihr sei.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass sie keinen Anspruch auf Erteilung des Arbeitszeugnisses im Blocksatz ohne Silbentrennung habe. Es sei nicht unüblich, dass ein 59 zeiliges Arbeitszeugnis 14 Silbentrennungen enthalte. Ein Geheimcode mit negativen Folgen für sie sei nicht erkennbar.

Zur Untermauerung der Argumentation des Gerichts zitierte dieses Passagen aus dem Buch „Der kleine König Dezember“ um zu zeigen, dass auch in literarischen Texten mehrere Silbentrennungen in einem Absatz vorkommen können.


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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