Dienstag, 22. März 2022

Fristlose Kündigung wegen heimlicher Tonaufnahme des Vorgesetzten?

 

In der Berufungsinstanz entschied kürzlich das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seiner Urteil 19.11.2021 (Az.: 2 Sa 40/21), dass eine heimliche Tonaufnahme eines Gesprächs zwischen Arbeitnehmer und Vorgesetzten zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt und ein heimlicher Mitschnitt auch „an sich“ ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung darstellen würde, in besonderen Situationen eine Kündigung aber dennoch unwirksam sein könne.

In dem hier zu entscheidenden Fall hatte ein Kassierer ein (Streit-) Gespräch mit seinem Vorgesetzten heimlich aufgezeichnet. Hintergrund war, dass der Arbeitnehmer am Vortag 15 Minuten früher seinen Arbeitsplatz verließ, weswegen er nunmehr zur Rede gestellt wurde. Zwischen den beiden war es zum Streit gekommen. Die Auseinandersetzung nahm der Kassierer, ohne das Wissen des Vorgesetzten auf. Aus diesem Grund kündigte der Arbeitgeber fristlos, hilfsweise ordentlich.

Der Arbeitnehmer argumentierte, dass der Vorgesetzte ihm zuvor gegenüber unsachgemäße, diskriminierende und ehrverletzende Äußerungen getätigt habe und er in Anbetracht der Vier-Augen-Situation keinen anderen Rat gewusst habe, als das Gespräch zu Beweiszwecken aufzuzeichnen. Er habe dem Irrtum unterlegen, dass dies nicht unrechtmäßig gewesen sei und er war sich auch einer möglichen Straftatverwirklichung von § 201 StGB nicht bewusst gewesen.

Das LAG sieht sowohl die fristlose als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung als unwirksam an. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs "an sich" geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es komme auch nicht zwingend auf die strafrechtliche Würdigung an. Maßgebend sei die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Allerdings überwiege in diesem Fall das Interesse des Kassierers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. 

Grund dafür seien die vorausgegangenen beleidigenden bzw. diskriminierenden Äußerungen des Vorgesetzten, die ebenfalls das Persönlichkeitsrecht des Kassierers verletzen. Der Vorgesetzte habe mit seinen Aussagen die Aufnahme erst veranlasst, in deren Folge der Arbeitnehmer sich in einer für ihn als ausweglos angesehenen Situation befunden habe. Der Arbeitnehmer habe sich jedenfalls über die Pflichtwidrigkeit seines Tuns geirrt.

Auch eine ordentliche Kündigung erscheine in Anbetracht der dargestellten besonderen Situation nicht als angemessen. Der Kassierer habe sich, nach seinem unwiderlegten Vortrag, spontan zu der heimlichen Tonaufzeichnung veranlasst gesehen. Eine Kündigung sei eine unverhältnismäßige Reaktion.

Die Entscheidung ist eine Einzelfallentscheidung. Arbeitnehmer sollten in solchen wie den hier dargestellten Situationen auf Tonaufnahmen verzichten, sondern Zeugen hinzuholen, z.B. Kollegen.

 

Mike Schaidreiter
Rechtsanwalt

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Mittwoch, 9. März 2022

Fristlose Kündigung wegen Ausspähen von Daten

 



Das Landesarbeitsgericht Köln (Az.: 4 Sa 290/21) hat sich in einer Entscheidung damit auseinander setzen müssen, ob eine fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin wirksam war, der un­be­fug­t die Privatkorrespondenz eines Vorgesetzten gelesen und weitergeleitet hat.

Die Beklagte ist Teil eines Kirchenkreises der evangelischen Kirche und die klagende Arbeitnehmerin war bei der Beklagten seit November 1997 zuletzt als Küsterin beschäftigt. Die Klägerin druckte eine interne an eine Privatemailadresse geschickte E-Mail ihres Vorgesetzten aus, kopierte sich im Übrigen im Emailkonto der Beklagten eine weitere E-Mail auf einen USB-Stick und ließ diese Daten zunächst einem Gemeindemitglied und später auch der Staatsanwaltschaft zukommen.

 

Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und nahm an, dass ein „an sich“ geeigneter Grund vorliegt, der eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigt. Denn die Klägerin hat rechtswidrig E-Mails geöffnet, die offensichtlich nicht für sie bestimmt gewesen sind, hat diese gelesen, eine E-Mail ausgedruckt und den Anhang einer Email, der offensichtlich nicht für sie bestimmt, sondern eine private Datei gewesen ist, kopiert und die Kopie an Dritte auf einem USB-Stick weitergegeben. Nach dieser Entscheidung kann die rechtswidrige Datenverarbeitung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis, die mit Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts etwa von Arbeitskollegen einhergeht, dazu geeignet sein, bei entsprechender Schwere des Verstoßes „an sich“ einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer Kündigung auszumachen, auch wenn die in Rede stehenden Daten nicht dem Schutzbereich des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen unterliegen.

 

Die Klägerin ist im Rahmen ihrer Tätigkeit berechtigt gewesen, auf das Emailkonto der Beklagten zuzugreifen. Die Berechtigung war aber nur auf den zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben notwendigen Umfang beschränkt. Soweit die Klägerin private Emailanhänge geöffnet hat, hat sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Absenders, hier in Form des Rechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, verletzt. Auch das Ausdrucken und Kopieren der E-Mails war rechtswidrig und somit an sich geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen. Die Klägerin hat durch die Weitergabe der rechtswidrig erlangten Daten an Dritte den vorherigen Verstoß vertieft.

 

Das Landesarbeitsgericht urteilte weiter, dass die Beklagte in diesem Fall bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine Abmahnung oder ordentliche Kündigung hätte aussprechen müssen.

 

Arbeitnehmer sollten in keinem Fall private Unterlagen von Kollegen oder Vorgesetzten kopieren, speichern oder sonst in einer Art verarbeiten. Dies kann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen bis hin zur fristlosen Kündigung.

 

 

 

Jasper Weitzel
Rechtsanwalt


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