Montag, 20. Dezember 2021

Wer zu spät kommt…..

 

Das LAG Schleswig-Holstein hat in einem aktuellen Urteil vom 31.08.2021 (1 Sa 70 öD/21) entschieden, dass wenn ein Arbeitnehmer an drei von vier aufeinander folgenden Arbeitstagen erheblich zu spät oder gar nicht zur Arbeit erscheint, dies je nach den Umständen des Einzelfalls den Rückschluss auf ein hartnäckiges und uneinsichtiges Fehlverhalten zulassen kann, sodass er vor Ausspruch einer Kündigung keiner ausdrücklichen Abmahnung mehr bedarf. Jedenfalls ist eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn wegen der ersten Verspätung ausdrücklich eine mündliche Abmahnung erteilt wurde, auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits mehr als 13 Jahre bestanden hat.

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin in der Poststelle eines Sozialgerichts, die im Juli 2019 u.a. wegen verspäteten Erscheinens zur Arbeit abgemahnt worden war. Ende Oktober 2019 ist die Arbeitnehmerin an drei von vier aufeinanderfolgenden Arbeitstagen (erheblich) zu spät zur Arbeit erschienen. Zwei Mal davon hat sie verschlafen. Das Sozialgericht hat das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich fristgemäß zum nächst möglichen Zeitpunkt gekündigt. Das LAG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die verspätete Arbeitsaufnahme zwei Mal um mehrere Stunden und einmal um 7 Minuten eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Der Arbeitsbeginn war jeweils mit 9:00 Uhr festgelegt worden. Dies sei aus Sicht des Gerichts üblich und angemessen. Das LAG Schleswig-Holstein führte weiter aus, dass bei einer ordentlichen Kündigung eine Abmahnung grundsätzlich erforderlich ist, im Fall der Arbeitnehmerin der Poststelle hingegen nicht. Einer Abmahnung bedürfe es nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst das erstmalige Hinnehmen dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und für den Arbeitnehmer offensichtlich erkennbar ist. Das LAG Schleswig-Holstein bewertete, dass es zu einem früheren Zeitpunkt bereits eine Abmahnung wegen Verspätung gab und dass an drei von vier aufeinanderfolgenden Arbeitstagen die Arbeitnehmerin unpünktlich war.

Arbeitnehmer sollten es tunlichst vermeiden, zu spät bei der Arbeit zu erscheinen. Sie tragen grundsätzlich auch das Wegerisiko, sodass Stau, Streik im Bahnverkehr oder widrige Wetterbedingungen ein Verspäten nicht entschuldigen. Wie die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein zeigt, können auch Verspätungen um wenige Minuten, auch einmalige Verspätungen grundsätzlich eine Abmahnung rechtfertigen. Weitere Verspätungen, insbesondere in engem zeitlichem Zusammenhang können auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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