Das
LAG Schleswig-Holstein hat in einem aktuellen Urteil vom 31.08.2021 (1 Sa 70
öD/21) entschieden, dass wenn ein Arbeitnehmer an drei von vier aufeinander
folgenden Arbeitstagen erheblich zu spät oder gar nicht zur Arbeit erscheint, dies
je nach den Umständen des Einzelfalls den Rückschluss auf ein hartnäckiges und
uneinsichtiges Fehlverhalten zulassen kann, sodass er vor Ausspruch einer
Kündigung keiner ausdrücklichen Abmahnung mehr bedarf. Jedenfalls ist eine ordentliche
Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn wegen der ersten Verspätung ausdrücklich
eine mündliche Abmahnung erteilt wurde, auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits
mehr als 13 Jahre bestanden hat.
Geklagt
hatte eine Arbeitnehmerin in der Poststelle eines Sozialgerichts, die im Juli
2019 u.a. wegen verspäteten Erscheinens zur Arbeit abgemahnt worden war. Ende
Oktober 2019 ist die Arbeitnehmerin an drei von vier aufeinanderfolgenden
Arbeitstagen (erheblich) zu spät zur Arbeit erschienen. Zwei Mal davon hat sie
verschlafen. Das Sozialgericht hat das Arbeitsverhältnis außerordentlich
fristlos und hilfsweise ordentlich fristgemäß zum nächst möglichen Zeitpunkt
gekündigt. Das LAG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die verspätete
Arbeitsaufnahme zwei Mal um mehrere Stunden und einmal um 7 Minuten eine
Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Der Arbeitsbeginn war jeweils
mit 9:00 Uhr festgelegt worden. Dies sei aus Sicht des Gerichts üblich und
angemessen. Das LAG Schleswig-Holstein führte weiter aus, dass bei einer
ordentlichen Kündigung eine Abmahnung grundsätzlich erforderlich ist, im Fall
der Arbeitnehmerin der Poststelle hingegen nicht. Einer Abmahnung bedürfe es
nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht
zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass
selbst das erstmalige Hinnehmen dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben
unzumutbar und für den Arbeitnehmer offensichtlich erkennbar ist. Das LAG
Schleswig-Holstein bewertete, dass es zu einem früheren Zeitpunkt bereits eine
Abmahnung wegen Verspätung gab und dass an drei von vier aufeinanderfolgenden
Arbeitstagen die Arbeitnehmerin unpünktlich war.
Arbeitnehmer
sollten es tunlichst vermeiden, zu spät bei der Arbeit zu erscheinen. Sie
tragen grundsätzlich auch das Wegerisiko, sodass Stau, Streik im Bahnverkehr
oder widrige Wetterbedingungen ein Verspäten nicht entschuldigen. Wie die
Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein zeigt, können auch Verspätungen um
wenige Minuten, auch einmalige Verspätungen grundsätzlich eine Abmahnung
rechtfertigen. Weitere Verspätungen, insbesondere in engem zeitlichem
Zusammenhang können auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.
Martin
Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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