Montag, 27. September 2021

Den Anspruch auf Eltern-Teilzeit mit einstweiligen Verfügung durchsetzen



Möchte ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit auf 15 bis 30 Wochenstunden während der Elternzeit reduzieren, dann kann dies nur bei dringenden betrieblichen Gründen durch den Arbeitgeber verweigert werden. Er trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast.

Da sich ein gerichtliches Hauptsacheverfahren mitunter über mehrere Monate erstrecken kann, kommt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht, um den An­spruch des Ar­beit­neh­me­rs auf Teil­zeit wäh­rend der El­tern­zeit zu sichern. Dies hat nun auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln mit Urteil vom 04.06.2021 ent­schie­den (5 Ta 71/21). Die Be­son­der­hei­ten des Teil­zeit­an­spruchs, die sich ins­be­son­de­re aus der Re­ge­lung zur Voll­stre­ckung er­gä­ben, stün­den dem nicht ent­ge­gen.

In dem zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitgeber den Antrag einer Arbeitnehmerin auf Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden abgelehnt. Das LAG Köln bejahte den Verfügungsanspruch der klagenden Arbeitnehmerin, da sie den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit glaubhaft machen konnte. Der Einwand des Arbeitgebers, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit, reichte hingegen nicht aus, um dringende betriebliche Gründe darzulegen. Vielmehr sind die zugrunde liegenden Tatsachen zu bezeichnen.

Auch der Verfügungsgrund ist in solchen Fällen regelmäßig gegeben, der auf einer umfassenden Interessenabwägung beruht. Regelmäßig kommt als Verfügungsgrund ein konkretes ideelles Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung in Betracht. Dieses hat die Klägerin vorliegend glaubhaft gemacht. Sie müsse bei einer weiteren Abwesenheit konkret befürchten, dass an ihrer Stelle andere Arbeitnehmer gefördert würden und sie auf ein Abstellgleis gerate.

Eine zeitliche Begrenzung des Beschäftigungstitels etwa "bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts in der Hauptsache" sei in aller Regel nicht vorzunehmen.

Dass Eltern während der Elternzeit Teilzeit arbeiten kann viele Gründe haben. Jedenfalls erleichtert die hiesige Entscheidung es Eltern, schnell eine Entscheidung zu erhalten, damit sie Planungssicherheit haben. 

 

Jasper Weitzel
Rechtsanwalt 

weitere Informationen  

Montag, 20. September 2021

Unwirksame Befristung eines Arbeitsvertrages einer Ärztin Weiterbildung (ÄArbVtrG)?


Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az.: 7 AZR 300/20) trifft am kommenden Mittwoch, den 22.09.2021 eine Entscheidung zur Wirksamkeit der Befristung der Verträge von Ärzten in der Weiterbildung, die weitreichende Folgen für die Facharztausbildung in Deutschland haben kann.

Nach § 1 ÄArbVtrG ist es möglich, dass Verträge von Ärzten in der Weiterbildung sachlich befristet werden, die Höchstdauer der Befristung beträgt acht Jahre. Voraussetzung ist, dass der Vertrag tatsächlich zum Zwecke der Facharztausbildung geschlossen wird und dieser Grund nicht nur vorgeschoben ist. Ferner muss der ausbildende Arzt auch eine Ausbildungsbefugnis haben, die sich zeitlich tatsächlich mit der Dauer des Vertrags deckt. Die Befristung darf also den Zeitraum nicht unterschreiten, für den der weiterbildende Arzt die Weiterbildungsbefugnis besitzt.

Dies ist in der Praxis oft nicht der Fall und Auslöser des Rechtsstreits vor dem BAG. Geklagt hatte eine approbierte Ärztin, die eine Facharztausbildung machte. Dem lagen verschiedene befristete Arbeitsverträge nach dem zu Grunde, bei denen sie zwischen 2008 und 2019 zur Weiterbildung als Fachärztin auf derselben Stelle beschäftigt war. Der Arbeitgeber, eine private Klinikgruppe, wollte sie nach Abschluss ihrer Ausbildung jedoch nicht weiterbeschäftigen und berief sich auf die Befristung ihres Vertrages. Die Ärztin erhob eine Entfristungsklage und erhielt vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht Recht (Urteil vom 20.5.2020 – 2 Sa 127/20). Die Richter hielten die Befristung ihres Vertrags für unwirksam, so dass die Klinik sie nun weiterbeschäftigen muss.

Die Entscheidung beruht darauf, dass die Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes (60 Monate) zeitlich nicht mit dem befristeten Vertrag der Ärztin (6 Monate) übereinstimmte. Nach Auffassung des LAG ist es für den wirksamen Abschluss einer Befristungsabrede zur ärztlichen Weiterbildung notwendig, dass bei Unterschreiten der Weiterbildungsbefugnis bereits zuvor zwischen den Parteien ein nach § 1 ÄArbVtrG mindestens auf die Dauer der Weiterbildungsbefugnis desselben weiterbildenden Arztes befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag war hier nicht zulässig, denn der auf 6 Monate befristete Vertrag unterschritt die Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes, auch wenn die Weiterbildung grundsätzlich auf Basis mehrerer befristeter Verträge erfolgen kann. Durch die Mindestbefristungsdauer sollen junge Ärzte keinen „willkürlichen“ kurzen Befristungen ausgesetzt werden und die Befristungsmöglichkeiten nicht für Zwecke genutzt werden, die nichts mit der Weiterbildung zu tun haben.

Praxistipps:

Der Vertreter der Klägerin, Rechtanwalt Martin Müller von der Arbeitsrechtskanzlei Groll und Partner in Frankfurt, hält die Entscheidung für richtungsweisend und äußerst praxisrelevant: Bis zur Entscheidung des BAG ist es erforderlich und ratsam, dass sich bei Befristungen von Ärzten zur Weiterbildung zum Facharzt der Befristungszeitraum exakt an der entsprechenden Weiterbildungs-befugnis des weiterbildenden Arztes orientiert. Kürzere Befristungen indizieren die Nutzung der Befristungsabrede zu weiterbildungsfremden Zwecken und sind nur rechtswirksam, wenn schon bei Abschluss der Befristung ein sachlicher Grund vorliegt. Ärzte in der Weiterbildung sollten dies daher prüfen und ggf. einen Anwalt zu raten ziehen. Kliniken sollten Ihre Vertragsgestaltung anpassen.

 

Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht 

weitere Informationen 

Montag, 13. September 2021

Keine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz musste sich in einem interessanten Urteil vom 14.01.2021 (Az.: 5 Sa 267/19) im Kern mit einer Urlaubsabgeltung eines schwerbehinderten Menschen befassen. Streitpunkt war unter anderem eine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf Zusatzurlaub auf Grund der Schwerbehinderung. So muss der Arbeitgeber zwar im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. November 2018 (C-684/16) einen schwerbehinderten Arbeitnehmer auf dessen Zusatzurlaub nach § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nF hinweisen und konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen Urlaub zu nehmen. Er ist aber gerade nicht dazu verpflichtet, jeden Arbeitnehmer anlasslos und gleichsam prophylaktisch auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen hinzuweisen. Danach muss der Arbeitgeber nur demjenigen Arbeitnehmer Zusatzurlaub konkret anbieten, wenn er Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers hat.       

Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidung nachvollziehbar, da es je nach Größe des Unternehmens schlicht unpraktikabel wäre, jedem Arbeitnehmer einen entsprechenden Hinweis zu geben. Andererseits gibt es keine Pflicht für Arbeitnehmer, seine Schwerbehinderung mitzuteilen. Vielmehr schützt das Gesetz gerade auch die schwerbehinderten Arbeitnehmer, die ihre Schwerbehinderung noch nicht mitgeteilt haben. So kann grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung die Schwerbehinderung angezeigt werden mit der Folge, dass der Sonderkündigungsschutz greift. Gerade für solche Arbeitnehmer wäre ein entsprechender Hinweis auf Sonderurlaub nützlich. 

 

Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht 

weitere Informationen 

Montag, 6. September 2021

Vorgetäuschte Quarantäne – ja oder nein? Das ist hier die Frage!



Das Arbeitsgericht Köln (Az.: 8 Ca 7334/20) musste sich mit einem Fall beschäftigten, in dem es um die Frage ging, ob ein Dachdecker eine Quarantäne-Anordnung nur vorgetäuscht hat und ob die daraufhin ausgesprochene Kündigung wirksam war.

Was war geschehen? Der Arbeitnehmer befand sich auf telefonische Anordnung des Gesundheitsamts im Oktober 2020 als Kontaktperson des positiv auf Covid-19 getesteten Bruders seiner Freundin in behördlich angeordneter häuslicher Quarantäne. Hierüber informierte er seinen Arbeitgeber, einen kleinen Dachdeckerbetrieb (Kleinbetrieb = Kein Kündigungsschutz nach KSchG). Dieser bezweifelte jedoch die Quarantäneanordnung und vermutete, der Arbeitnehmer wolle sich lediglich vor der Arbeitsleistung "drücken". Er verlangte daher eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes, die der Arbeitnehmer auch beim Gesundheitsamt telefonisch einforderte. Als diese schriftliche Bestätigung auch nach mehreren Tagen noch nicht vorlag, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Das Arbeitsgericht hat der daraufhin erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Der Arbeitgeber habe vorliegend mit Blick auf die Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zwar keinen Grund für eine fristgerechte Kündigung darlegen müssen. Die Kündigung sei jedoch als sittenwidrig und treuwidrig anzusehen. Der Arbeitnehmer habe sich lediglich an die behördliche Quarantäneanordnung gehalten. Erschwerend komme hinzu, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich aufgefordert habe, entgegen der Quarantäneanweisung im Betrieb zu erscheinen.

Gerade für Kleinbetriebe ist diese Entscheidung wegweisend, denn es wurde noch einmal bestätigt, dass eine Kündigung auch dann unwirksam sein kann, wenn zwar kein Kündigungsgrund vorliegen muss, aber eine Sitten- oder Treuwidrigkeit anzunehmen ist. 

 

Mike Schaidreiter
Rechtsanwalt 


 weitere Informationen