Montag, 18. Juli 2022

LAG Köln zur Beschäftigung im Homeoffice

 


Das LAG Köln hat sich in seinem Urteil vom 12.01.2022 (Az.: 3 Sa 540/21) mit dem Thema „Anspruch auf Homeoffice“ beschäftigt. Die Parteien streiten um eine leidensgerechte Beschäftigung der Klägerin, die bei der Beklagten als medizinische Fachangestellte beschäftigt und im Arbeitsvertrag örtliche einer Zweigpraxis zugewiesen war. Die Klägerin hat einen Grad der Behinderung von 50 und fiel krankheitsbedingt längere Zeit aus, sodass auch ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurde. Im Nachgang zu dem BEM-Gespräch begehrte die Kläger neben der Beschäftigung im Homeoffice auch die Zuweisung anderer Tätigkeiten, die sie aus dem Homeoffice erledigen könnte. Beides lehnte die Beklagte aber ab.

 

Darauf war die Klage beim Arbeitsgericht Siegburg gerichtet. Die Klage wurde jedoch erstinstanzlich abgewiesen, da die Beklagte nicht zur Schaffung eines zusätzlichen Arbeitsplatzes verpflichtet sei. Zudem sei auch im BEM-Gespräch keine verbindliche Zusage erteilt worden.

 

Hiergegen richtete sich die Berufung, die aber ebenfalls scheiterte, denn auch nach Ansicht des LAG Köln fehle es der Klägerin für den gelten gemachten Anspruch auf die begehrte Tätigkeit im Homeoffice an der erforderlichen Anspruchsgrundlage. Denn so sei bereits nicht in dem BEM-Gespräch eine Änderungsvereinbarung dahingehend geschlossen worden, dass der Klägerin Homeoffice gewährt würde.

 

Auch aus § 241 Absatz 2 BGB iVm dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 Satz 1 GewO folge kein Anspruch. Danach ist zwar jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. So ist gerade in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr in der Lage ist, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts näher bestimmte Leistung zu erbringen, der Arbeitgeber auf Grund seiner Rücksichtnahmepflicht verpflichtet, dass er erneut von seinem Direktionsrecht Gebrauch macht, in diesem Fall also unter Umständen Homeoffice gewährt.

 

Das LAG Köln entschied aber anders. Denn auch hiernach sei die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin die begehrte Beschäftigung zuzuweisen. Weder der begehrte Arbeitsinhalt noch Arbeitsort stimmte mit den Regelungen im Arbeitsvertrag überein. Eine Tätigkeit im Homeoffice, bei der die Klägerin die Telefonzentrale betreut, Terminvereinbarungen und Terminkoordination vornimmt, Praxiskorrespondenz erledigt, Abrechnungen erstellt und Verwaltungstätigkeiten sowie allgemeine organisatorische Tätigkeiten ausübt, erfüllt nicht die das Berufsbild als medizinische Fachangestellte prägenden Merkmale. Auch die Zuweisung des privaten Wohnortes als Arbeitsort ist arbeitsvertraglich nicht vereinbart. Ist im Arbeitsvertrag der Arbeitsort fest geregelt, ist kein Raum für die Ausübung des Direktionsrechts in örtlicher Hinsicht (vgl. BAG, Urt. v. 28.8.2013 - 10 AZR 569/12, NZA-RR 2014, 181). So ist es hier.

 

Ein Anspruch auf die begehrte Tätigkeit folgt auch nicht aus § 164 Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX, wonach ein schwerbehinderter Mensch gegenüber seinem Arbeitgeber Anspruch auf Beschäftigung hat, bei der er seiner Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Hieraus kann sich auch ein Anspruch auf anderweitige, auch vertragsfremde, Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann. Ein Anspruch besteht danach aber nicht, soweit die Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre. Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten. Die Klägerin kann zwar aufgrund ihrer Erkrankung die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben. Ein Anspruch auf die Zuweisung der beantragten vertragsfremden Beschäftigung scheitert aber daran, dass es bei der Beklagten einen solchen Arbeitsplatz bislang nicht gibt. Die Beklagte müsste einen solchen Arbeitsplatz unter Aufwendung finanzieller Mittel erst schaffen.

 

Die Entscheidung ist eine Einzelfallentscheidung, die auch anders entschieden werden kann. Vor allem wenn individuelle Absprachen mit dem Arbeitgeber stattgefunden haben, die eine Beschäftigung im Homeoffice regeln. Auch die genannten gesetzlichen Ansprüche könnten in einem anders gelagerten Fall durchaus durchgreifen.

 


Jasper Weitzel

Rechtsanwalt


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