Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit diesem Themenkomplex in einem aktuellen Urteil (Az.: 6 AZR 333/21) beschäftigt.
Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über den
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, nachdem sie einen Aufhebungsvertrag
abgeschlossen hatten.
Der Geschäftsführer der Beklagten führte mit der späteren
Klägerin in Anwesenheit eines „Anwalts für Arbeitsrecht“ ein Gespräch und
erhoben gegenüber der Klägerin den Vorwurf, diese habe unberechtigt
Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert, um so einen
höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Die Klägerin unterzeichnete nach einer
etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am
Tisch saßen, den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah neben
anderen Regeln eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Die
Klägerin hat den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung angefochten.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses über den Beendigungszeitraum hinaus. Sie hat behauptet,
ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die
Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer
Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit
zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, sei nicht entsprochen worden.
Damit habe die Beklagte gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen. Das
Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf
die Berufung der Beklagten abgewiesen.
So kann ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot
fairen Verhandelns zustande gekommen sein. Unfair ist eine Verhandlung, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen
oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners
erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht.
Ob das der Fall ist, ist im jeweiligen Einzelfall zu
entscheiden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines
Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht,
stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung dar, auch wenn dies dazu
führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der
Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann.
Daher hatte die Revision der Klägerin beim BAG keinen
Erfolg. Das BAG führt aus, dass auch wenn der von der Klägerin geschilderte
Gesprächsverlauf zu ihren Gunsten unterstellt würde, es an der
Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung fehle. Denn ein verständiger
Arbeitgeber durfte im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer
außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige
ernsthaft in Erwägung ziehen. Ebenso ist das Landesarbeitsgericht zutreffend zu
dem Schluss gekommen, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und dadurch
gegen ihre Pflichten verstoßen hat. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin
wurde nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag nur zur
sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen
sofort entscheiden musste.
Arbeitnehmern ist zu raten, in solchen Drucksituationen
nicht vorschnell Aufhebungs- Abwicklungs- oder sonstige Beendigungsverträge zu
unterschreiben, sondern sich trotz der vom Arbeitgeber aufgezeigten (zeitlichen)
Drucksituation einen Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuholen.
Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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