Diese Frage stand beim LAG Hessen zur Beantwortung an. Mit Urteil vom 10.09.2021 (Az.: 10 Sa 347/21) entschied es, dass die Unterschlagung geringwertiger Beträge, hier 2,75 Euro, bei einem Busfahrer eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, wenn er zuvor einschlägig wegen „Unterschlagung von Fahrtgeldeinnahmen“ abgemahnt worden ist.
Geklagt hatte ein Busfahrer, der außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt wurde, da sein Arbeitgeber ihm die Unterschlagung von Fahrtgeldeinnahmen aus dem Verkauf von Busfahrtickets vorwirft.
So stellen nach der Entscheidung Eigentums- und Vermögensdelikte des Arbeitnehmers zulasten des Arbeitgebers stellen regelmäßig einen wichtigen Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar, denn hierin liegt ein erheblicher Verstoß gegen die Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers. Auf die strafrechtliche Würdigung kommt es dabei nicht an, sondern auf den mit dieser Pflichtverletzung begangenen schweren Vertrauensbruch. Dies gilt im Prinzip auch bei einem rechtwidrigen Zugriff auf Eigentum des Arbeitgebers von geringem Wert. Das LAG Hessen kam daher nach diesen Gründen zu dem Schluss, dass ein wichtiger Grund an sich vorliegt, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Denn es stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger am 2. Dezember 2020 Geld von einer Kundin entgegennahm, ohne einen Fahrschein auszustellen. Der Kläger lieferte auch keine andere plausible Erklärung, sodass naheliegenderweise davon auszugehen war, dass er das Geld für sich verwendet hat. Damit sei die Vertrauensgrundlage im Arbeitsverhältnis entfallen.
Dabei ist auch nicht verwerflich,
dass der Arbeitgeber eine Situation bewusst herstellt, in der er durch Dritte
oder eigenes Personal die Ehrlichkeit von Arbeitnehmern testet. Zwar kann dies einen
Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darstellen,
der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer auch nicht zu einer Straftat provozieren.
Ehrlichkeitstests sind aber nicht ohne weiteres rechtswidrig. So kann der
Arbeitgeber in alltäglichen Situationen testet, ob der Arbeitnehmer sich
rechtmäßig verhält. Letzteres kann gerade bei Mitarbeitern an der Kasse angenommen
werden, wozu auch der Busfahrer zählt, der Tickets verkauft. Im vorliegenden
Fall hat der Arbeitgeber gerade keine „Falle“ gestellt oder eine „besondere
Verführungssituation“ initiiert. Er hat lediglich das alltägliche
Kassierverhalten des Klägers als Teil dessen Arbeit kontrolliert.
Arbeitnehmer, die mit fremdem
Geld arbeiten, teilweise auch nur mit kleineren Beträgen, ist davon abzuraten, sich
dieses Geld anzueignen. Es gibt keinen Grundsatz, dass bei geringwertigen
Beträgen eine Kündigung unwirksam wäre. Vielmehr kann selbst ohne vorherige
Abmahnung eine Kündigung wirksam sein.
Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht