Freitag, 21. Dezember 2018

Arbeitgeber darf freie Arztwahl nicht beschneiden


Az.: 7 Ca 1549/11 - Da hatte sich ausgerechnet eine Anwaltskanzlei etwas ausgedacht: Die neue Rechtsanwaltsfachangestellte wurde vertraglich dazu verpflichtet, im Krankheitsfall ausschließlich zu einem bestimmten Arzt gehen zu müssen, den der Arbeitgeber zuvor bestimmt hatte. Dieser sollte dann auch gleich von der Schweigepflicht entbunden werden. Und falls diese Regel nicht eingehalten würde, wollte die Kanzlei während der Krankheit keine Entgeltfortzahlung an die Mitarbeiterin leisten.

Von wegen!, urteilte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Das Gericht kassierte die Regelung ein und verpflichtete die Anwälte zur Lohnfortzahlung. Die Arztwahl sei schließlich frei und Vertrauenssache, die Krankenakte gehe den Arbeitgeber nichts an. Deshalb kann dieser auch keine Bedingungen stellen, zu welchem Arzt sich ein Arbeitnehmer zu begeben habe. Und bei berechtigten Zweifeln könne er seine Mitarbeiter immer noch zum medizinischen Dienst der Krankenkassen schicken. Insbesondere verstoße die oben genannte Klausel gegen das verfassungsrechtlich verbürgte allgemeine Persönlichkeitsrecht auf freie Arztwahl und die freie Entscheidung den Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden.


Nadja Kötter
Rechtsanwältin

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Freitag, 14. Dezember 2018

Man muss auch mal streiten dürfen.


Az.: 11 Sa 722/10 - Eine halbe Million Euro Schadensersatz wegen Mobbings verlangte ein Oberarzt von seinem vorgesetzten Chefarzt. Der Oberarzt hatte sich zuvor selbst auf die Stelle beworben, ist jedoch abgelehnt worden und war damit gar nicht einverstanden, denn stattdessen ist ein externer Bewerber eingestellt worden. Die Positionen waren verteilt und damit begannen die Konflikte. Folge: Der Kläger erkrankte und klagte.

Das LAG Hamm entschied jedoch: Die Beklagten haben keinen Schadensersatz zu zahlen! Es sei zwar unstreitig zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien gekommen, diese hätten sich aber stets im sozial- und rechtsadäquaten Rahmen gehalten. Streiten gehöre eben zum (Arbeits-)Leben dazu. Konflikte am Arbeitsplatz seien durchaus üblich. Auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, sei dies noch nicht als Mobbing zu sehen, sofern Arbeitgeber und Vorgesetzte „sozial- und rechtsadäquat“ damit umgehen.

Das Bundesarbeitsgericht äußerte sich in einen ähnlich gelagerten Fall dahingehend, dass Schmerzensgeld oder Schadenersatz von einem Arbeitnehmer danach erst verlangt werden können, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Damit hat das Bundesarbeitsgericht die Maßstäbe für die Verwirklichung des Mobbingtatbestandes am Arbeitsplatz näher definiert.


Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Freitag, 7. Dezember 2018

Warum dem Chefarzt, der wieder geheiratet hat, deshalb gekündigt wurde…


Az.: C-68/17 - Ein Chefarzt eines katholischen Krankenhauses der Abteilung „Innere Medizin“ in Düsseldorf ließ sich im März 2008 scheiden und entschied sich im August 2008 seine neue Lebensgefährtin zu heiraten. Als sein Arbeitgeber im darauffolgenden Jahr Kenntnis von der erneuten Heirat erlangte, kündigte er das Arbeitsverhältnis ordentlich mit der Begründung, der Chefarzt habe gegen seine Loyalitätspflichten verstoßen. Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass dem Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne des Ethos der Kirche und der Organisation abverlangt werden könne und er gegen diese Grundgedanken mit einer erneuten Heirat verstoßen habe.

Im eingelegten Kündigungsschutzverfahren gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage statt, die Wiederheirat stelle keinen Kündigungsgrund dar; auch die vom Arbeitgeber eingelegte Berufung ist zurückgewiesen worden. Nach einem erneuten Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht legte dieses dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung grundlegende Wertungsfragen vor, die sich im Laufe des Verfahrens aufgetan hatten.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (Urteil EuGH vom 11. September 2018, C-68/17) hat nun in diesem Zusammenhang entschieden, dass die an den Chefarzt gestellte Anforderung, dass dieser als katholischer Chefarzt den „heiligen und unauflöslichen Charakter“ der Ehe beachte, keine gerechtfertigte berufliche Anforderung sei. Eine Kündigung wegen Wiederheirat kann folglich eine verbotene Diskriminierung im Sinne einer Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung darstellen. 


Nadja Kötter
Rechtsanwältin

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