Freitag, 15. Juni 2018

Arbeitsrecht - WM-Gucken: Was ist erlaubt?

Jetzt ist es soweit. Die Fußballwelt blickt nach Russland. Dumm nur, dass einige Spiele bereits ab 16:00 Uhr beginnen und so mancher Arbeitnehmer auch während der Spiele arbeiten muss. Was darf ich, was darf ich nicht und was kann man tun, um möglichst viel live zu sehen und meine Arbeitszeit darauf anzupassen?

Auch während der WM existieren keine rechtlichen Ausnahmen. Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Pflichten aus seinem Arbeitsvertrag, muss er mit der gelben Karte, der Abmahnung, oder der roten Karte, der Kündigung rechnen.Hier einige Fragen und Antworten:


Darf ich während der Arbeitszeit WM-Spiele anschauen – etwa über das Internet?

Hier gibt es nur ein ganz eindeutiges „Nein“. Während der Arbeitszeit dürfen keine WM-Spiele angesehen werden, weder über das Internet noch über sonstige Medien. Wie der Name schon sagt handelt es sich um „Arbeits“zeit. Der Arbeitgeber hat das Weisungsrecht im Betrieb, er allein darf entscheiden was erlaubt ist. Sollte es also keine andere Regelung im Betrieb geben, so ist die Fußball-WM als Live-Ereignis am Arbeitsplatz tabu. Wenn der Arbeitgeber aufgrund in der Arbeitszeit liegender Anstoßzeiten hier eine Ausnahme machen sollte, so ist dies natürlich anders zu beurteilen.


Kann ich in der Zeit ein eigenes Radio oder einen Fernseher mit ins Büro nehmen?
Ja, aber nicht anschalten. Wieder hat der Arbeitgeber das Weisungsrecht. In vielen Büros oder Betriebsstätten findet man aber dennoch zumindest Radiogeräte. Wenn dies in der Vergangenheit bereits geduldet war, so würde man hier jetzt auch bestimmt einen Sender mit einer Live-Übertragung einstellen können und während der Arbeitszeit laufen lassen. Allerdings hat auch hier der Arbeitgeber ein Mitspracherecht dahingehend, dass er die Geräte bei allzu großer Aufmerksamkeit auf das Spielgeschehen dann per Weisung verbieten kann (BAG, 14.01.1986 – 1 ABR 75/83).


Kann ich den Live-Ticker auf dem Smartphone checken?
Das ist gerichtlich noch nicht entschieden. Weil aber wohl keine Beeinträchtigung des Betriebsablaufs vorliegen dürfte, dürfte man den Live-Ticker als Arbeitgeber wohl zulassen müssen.

Kann ich mir für einzelne Spiele Urlaub nehmen?

Der Arbeitgeber bestimmt grundsätzlich wann man Urlaub nehmen kann, hat dabei aber die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. In der Regel wird man den beantragten Urlaub deswegen auch genehmigt bekommen wenn nicht dringende betriebliche Erfordernisse sprechen dagegen. Wer zu spät Urlaub beantragt und quasi die Notbesetzung ist oder an einem sehr wichtigen Projekt arbeitet, der hat natürlich Pech gehabt und bekommt den Urlaub nicht.


Kann ich auch nur stundenweise Urlaub nehmen und früher gehen, um ein WM-Spiel anzusehen?
Wer flexible Arbeitszeiten hat, der kann seinen Arbeitstag entsprechend anpassen. Einen Teilurlaub im Hinblick auf einzelne Stunden am Tag kennt das Bundesurlaubsgesetz nicht. Auch in Tarif- oder Arbeitsverträgen wird man hierzu meist nichts finden. An dieser Stelle gilt dann: Alles ist Verhandlungssache mit dem Chef.


Was passiert, wenn ich keinen Urlaub bekommen habe und trotzdem fehle?

Das sind dann ein eigenmächtiger Urlaubsantritt und damit ein recht schwerwiegender Pflichtverstoß. Der Verstoß wird für den ersten Tag vielleicht noch mit einer Abmahnung bewertet, am zweiten Tag wenn es gut läuft auch noch. Spätestens beim dritten Anlass folgt dann aber bestimmt die fristlose Kündigung, die nach der Rechtsprechung durchaus gerechtfertigt sein dürfte (BAG, 20.01.1994 – 2 AZR 521/93). Die einzige positive Folge ist, dass man nach einer fristlosen Kündigung viel Zeit für die WM.


Und wenn ich stattdessen mich krank melde oder eine Krankschreibung vorlege?
Dann sieht das erst einmal schlecht aus und kommt extrem negativ rüber. Eine rechtliche Konsequenz allerdings dürfte dennoch nicht folgen. Dies zumindest wenn man sich für den fraglichen Tag ordnungsgemäß arbeitsunfähig krank meldet. Nach der gesetzlichen Regelung muss auch erst ab dem 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit der „gelbe Schein“ des Arztes eingereicht werden. Anders kann dies im Arbeitsvertrag vereinbart sein. Auch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung sehen manchmal abweichende Regelungen vor. Der Arbeitgeber muss die AU-Bescheinigung erst einmal für bare Münze nehmen. In jedem Falle gilt es aber folgenden Satz zu vermeiden: „Wenn ich keinen Urlaub bekommen, dann bin ich eben krank.“ Wer in solcher Art und Weise eine Krankheit ankündigt, der riskiert seinen Job und bietet seinem Arbeitgeber eine Steilvorlage für eine fristlose Kündigung (BAG, 12.03.2009 – 2 AZR 251/07). Ebenso, wer sich genesungsschädlich verhält und mit Magen-Darm-Virus am Public-Viewing teilnimmt.


Was ist, wenn ich zu einem Top-Spiel wirklich krank werde?
Das kann schon mal passieren. Wer krank ist ist krank. Diese Krankheit darf nur nicht im Vorfeld angekündigt sein (s.o.). Zudem sollte sich jeder überlegen, wie er als Arbeitgeber reagieren würde, wenn das halbe Büro vor einem wichtigen Spiel über Magenbeschwerden klagt, früher geht oder gar nicht kommt und am nächsten Tag die wundersame Heilung eingetreten ist. Der Arbeitgeber nimmt solche Sachverhalte gerne mal zum Anlass, dass in Zukunft schon ab dem 1. Tag einer Erkrankung eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden muss. Und das darf er sogar.


Wie sieht’s mit einem Bier zum Fußball aus?

Alkohol in Maßen ist am Arbeitsplatz nicht generell verboten, kann aber verboten werden. Ist die Siegesparty in der Nacht allzu heftig ausgefallen, ist der Arbeitgeber auch berechtigt, bei erkennbaren alkoholbedingten Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit den Arbeitnehmer nach Hause zu schicken. Arbeitslohn wird für diesen Tag dann nicht geschuldet. Ebenso bedarf es nur des gesunden Menschenverstandes, dass Mitfiebern zwar erlaubt ist, man sich als Fan aber ebenso professionell verhalten sollte wie die Kicker auf dem Rasen. Das heißt: Bei der Arbeit ist Alkohol ein no-go.


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht